Der "Viral" ist tot!

Es war vermutlich die stärkste Kommunikationsform, die es je gegeben hat. Der erste war ein Levis-Film, den wir noch auf letzten Nokia-Handys hin und her geschickt haben. Inhaltlich war es ein Porno, der händisch teilübermalt war. Sehr geringer Resources-Einsatz und eine schier unglaubliche Reichweite. Ich selbst hatte mal das "Glück", einen machen zu können, ich weiß also wovon ich rede.

Es war noch nie einfach ein Viral zu kreieren. Hier müssen so viele Sachen zusammen kommen, dass es in einer normalen Marketing-Kommunikation kaum welche gegeben hat. Dazu sollten wir erst einmal zusammenfassen was ein Viral überhaupt ist: Schon in der Bezeichnung liegt die Beschreibung. Ein Viral breitet sich aus wie ein Virus und man hat - einmal losgelassen - auch kaum mehr Einfluss darauf, was mit ihm passiert. Oft wird er herunter geladen, zitiert und anderweitig wieder hochgeladen. Vor allem aber wird er eines: geteilt. Dabei lassen sich wunderbar Botschaften transportieren und das alles ohne auch nur einen Euro für Mediabudget ausgeben zu müssen.

Warum aber werden Filme geteilt? Nun, Menschen teilen sicher nichts, nur weil Sie (die Werbetreibenden) sich das gern wünschen. Menschen teilen Dinge zu ihrem eigenen Vorteil. Was aber hat jemand davon, einen Film mit seinen Freunden zu teilen? Nun, vor allem Reputation und Aufmerksamkeit. Wir wollen alle die ersten sein. Wir wollen alle gern die sein, die etwas entdecken und den anderen zeigen, so entsteht Relevanz. Es ist also wie so häufig ein Ego-Ding. Ein Freund tut seinen Freunden aber auch gern etwas Gutes. Handelt es sich um einen besonders kreativen Film, oder einen tollen Witz, so fällt es dem Teilenden leicht, den Film mit seinen Freunden zu teilen. Auch können wunderbare Diskussionen entstehen.


Warum aber behaupte ich, dass diese Form der Kommunikation (aktuell) keine Zukunft hat? Nun, das liegt im Groben an zwei Punkten. Zum einen an dem oben schon angedeuteten: Virals überschreiten meist Grenzen und dazu muss ein Werbetreibender erst einmal bereit sein. In den meisten Fällen, die ich betreut habe, ist es genau daran gescheitert einen solchen Film herzustellen (Dazu haben wir einen wundervollen Gastbeitrag auf unserer Seite von Joachim Knollmann). Zumeist kommen die Bedenkenträger zu Wort und man versucht das Ganze zu entschärfen. Aus einer wunderbar kreativen Idee mit viel Aufmerksamkeitspotential wird dann ein Botschaftsträger, abgerundet, weich und ohne Durchschlagskraft. Diese Ideen haben kein Potential mehr für eine Viralität. Die meisten Virals, die ich kenne, sind ohne professionelle Kommunikationsmaschine entstanden. Hier ein tolles Beispiel: 

Nun stellen Sie sich mal vor, wie es in einem Meeting mit dem Marketing ausgesehen hätte. Ich kann die Sätze förmlich hören: "Aber unser Staubsauger ist gar nicht so stark, der saugt gar keine Menschen ein."

Es gibt aber noch einen anderen Grund, der es immer schwieriger macht. Es ist das Fehlen der sozialen Medien. Als Facebook vor mehr als einem Jahrzehnt anfing, ging es darum sich mit seinen Freunden zu vernetzen. Nach und nach ergaben sich neue Möglichkeiten Fotos, Videos, Musik, sogar PDFs mit ihnen zu teilen, aber das ist nicht mehr. Facebook ist dabei zu sterben und es gibt derzeit niemanden, der sich anstellt diese Lücke zu füllen. Es wäre an der Zeit das zu ändern. Aber wie kam das eigentlich? Facebook hat uns erst ein riesiges Netzwerk aus Freunden geboten um es uns danach langsam aber stetig wieder wegzunehmen. Alles fing an, als unsere Timeline, unser Stream nicht mehr in der Reihenfolge angezeigt wurde in der er stattfand. Es wurde ein Algorithmus auf unsere Beiträge angewandt, der mit unseren Likes zu tun hatte. Das Ergebnis war, dass immer mehr professioneller Content auf unseren Timelines stattfand. Auch versuchte man in anderen Gefilden zu wildern, indem man beispielsweise Facebook Video einführte. So sollte Youtube Konkurrenz gemacht werden. Nunmehr ist Facebook nichts anders mehr als ein Kanal, wie jeder andere auch. Ein Kanal wie RTL, wie Instagram und all die anderen, wo es darum geht auszutarieren, wieviel bezahlte Werbung die Zuschauer bereit sind zu ertragen. Dazu kommt, dass meine Freunde sich längst abgewandt haben oder nur noch selten hinein schauen, weil es einfach nichts mehr von ihren Freunden zu sehen gibt. Die Aufwärtsspirale, in der Facebook Jahrzehnte lang steckte, hat sich umgekehrt und sie wird nicht aufzuhalten sein. Menschen, die Facebook den Rücken gekehrt haben, haben meist lang gehadert, ob sie ihr Netzwerk abschalten - es war ja auch eine Art Sucht. Sie kommen nicht einfach zurück. Facebook war zu schnell zu gut und ist am Ende vermutlich deswegen genauso schnell zu schlecht geworden.

Hier noch ein Video von einem australischen Tech-Beobachter, über den bisher größten Wertverlust eines Unternehmens an einem Tag: 

Instagram und TikTok sind leider keine wirklichen Alternativen. Sie sind nicht dafür gemacht externe Inhalte zu teilen. Vielmehr produziert man in diesen Netzwerken nur genau für jene Plattformen. Es heisst natürlich nicht, dass man hierfür keine erfolgreichen Videos machen kann, die sich ebenfalls Viral verbreiten, aber hier geht es nicht darum etwas gesehen zu haben und es zu teilen; hier geht es um das Selbermachen. Die Multiplikatoren werden allein von den Algorithmen gesteuert, nicht aber von den Menschen.

Ausserdem haben die meisten Videos auf diesen Plattformen eine Dauer von wenigen Sekunden. In diesen wenigen Sekunden ist es schwer eine Geschichte zu erzählen. Florian Meimberg hat das mal mit seinen Micro Movies versucht, aber das Problem ist häufig, dass es Zeit braucht, um Empathie aufzubauen. Dass es Zeit braucht einen Gag zu platzieren und es braucht Zeit zu lachen und sogar dafür zu sorgen, dass dir das Lachen im Hals stecken bleibt, dafür braucht es auch Zeit. Wir lachen bei Instagram also über Menschen, die sich wehtun, weil sie die Treppe herunterfallen. Ist das dann virale Kommunikation? 

Instagram und TikTok sind leider keine wirkliche Alternative. Sie sind nicht dafür gemacht externe Inhalte zu teilen. Vielmehr produziert man in diesen Netzwerken nur genau für jene Plattformen. Es heisst natürlich nicht, dass man hierfür keine erfolgreichen Videos machen kann, die sich ebenfalls Viral verbreiten, aber hier geht es nicht darum etwas gesehen zu haben und es zu teilen; hier geht es um das Selbermachen. Die Multiplikatoren werden allein von den Algorithmen gesteuert, nicht aber von den Menschen.

Ausserdem haben die meisten Videos auf diesen Plattformen eine Dauer von wenigen Sekunden. In diesen wenigen Sekunden ist es schwer eine Geschichte zu erzählen. Florian Meimberg hat das mal mit seinen Micro Movies versucht, aber das Problem ist häufig, dass es Zeit braucht, um Empathie aufzubauen. Dass es Zeit braucht einen Gag zu platzieren und es braucht Zeit zu lachen und sogar dafür zu sorgen, dass dir das Lachen im Hals stecken bleibt, dafür braucht es auch Zeit. Wir lachen bei Instagram also über Menschen, die sich wehtun, weil sie die Treppe herunterfallen. Ist das dann virale Kommunikation?

Natürlich wird sich gute Kommunikation, vor allem die mit Haltung zu aktuellen Themen und der daraus folgenden Relevanz immer gegen schlechte Kommunikation durchsetzen und seine Zuschauer finden, aber man muss sie viel öfters danach suchen. Es ist selten geworden, dass man einfach so etwas geschickt bekommt. Das schnelle Teilen, das sharen ist erst einmal vorbei. 

Der Rote Karton, Gastbeitrag von Joachim K. Knollmann